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Autor: Rolf Kurath Führung Organisationsentwicklung Dienstag, 22 Juli 2014

Beispielhafte Energie und Kreativität entfesseln

Es braucht keine Hierarchien, um erfolgreich zu sein: Dies ist eines der wichtigsten Ergebnisse der Analyse von Frédéric Laloux „Reinventing Organizations". Ich habe die packend geschriebene Recherche mit wachsendem Interesse gelesen. Die darin beschriebenen Konzepte und Erfahrungen sind nützlich für fast jede Intervention der Organisationsentwicklung.

Wie Organisationen neu erfunden werden können, beschreibt Laloux in drei Teilen. Teil 1 leitet die Entwicklung der Organisationsformen aus der Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins ab. Teil 2 behandelt die Erkenntnisse, die der Autor bei der Untersuchung von 12 unterschiedlichen Unternehmen gewonnen hat. Methoden und Prozesse, von denen ich noch nie etwas gehört habe, werden auf ihren Nutzen untersucht. Analysiert wurden u.a. ein IT-Consulting-Unternehmen mit 10'000 Mitarbeitenden, ein aus Asien hart bedrängter Autozubehör-Produzent aus Frankreich, der grösste US-Hersteller von Tomatenmark sowie eine schnell wachsende private Spitex-Organisation aus den Niederlanden – alle privatwirtschaftlich kapitalisiert, mehrheitlich auf Gewinn ausgerichtet und nicht im Besitz der Mitarbeitenden. Allen gemeinsam ist die Ausrichtung der Unternehmenskultur, der Strukturen und Prozesse auf die drei Aspekte Selbst-Management (auf allen Ebenen), Ganzheitlichkeit (um ein Mehrfaches an Energie und Kreativität zu erschliessen) und Sinnhaftigkeit (für den Kunden, die Gesellschaft, das Unternehmen und für mich selbst). Im dritten Teil des Handbuchs werden die Wege der Transformation ausführlich beschrieben.

Bevor ich zu einigen persönlichen Erkenntnissen komme, hier die Links. Vor der Lektüre empfehle ich das einführende Referat des Autors von 90 Minuten vom März 2014:
Film auf Youtube ansehen

Hier geht es zum Buch, das in ein paar Monaten auch auf Deutsch erscheinen soll:
Website zum Buch

Laloux hat ein vollständiges Konzept für den Paradigmenwechsel von der Hierarchie-Pyramide zum dezentralisierten Selbst-Management beschrieben. Viele der Methoden sind auch für andere Managementmodelle nützlich. So zeigt Laloux auf, weshalb von der ganzen Crew getragene Werte und Regeln wichtig für den Unternehmenserfolg sind und wie sie dauerhaft verankert werden können. Erfolgreiche Unternehmen übersetzen die häufig recht allgemein formulierten Grundsätze der Zusammenarbeit in klare Verhaltensregeln und stellen die permanente Debatte über deren Weiterentwicklung sicher. Dabei werden alle Mitarbeitenden gleichberechtigt einbezogen.

Bessere Meetings

Gelernt habe ich, wie Führungs-Meetings produktiver gestaltet, wie gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und „Egotrips" ausgeschaltet werden können. Zum Beispiel erzählen die Mitwirkenden zu Beginn eine kurze Geschichte über jemanden, dem sie kürzlich gedankt oder gratuliert haben. Dies schafft eine Atmosphäre des Vertrauens in die Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen und erweitert den Blick auf die ganze Organisation. Oder die Check-out-Runde am Schluss des Meetings, welche es erlaubt, bisher nicht ausgesprochene Eindrücke zu teilen und Feedback nachzuholen. Eine weitere Idee ist der „Dankbarkeitstag". Alle Mitarbeitenden erhalten einen freien Tag und ein Budget von 200 Dollar pro Jahr, um einer beliebigen Person zu danken, die für ihre persönliche Entwicklung wichtig war. Die Aktion ist freiwillig. Einzige Regel: Ich berichte dem Team über meine Aktion. Dadurch erfahren meine Kolleginnen und Kollegen mehr über mich und können mich besser verstehen.

Erfolgsbeispiel Buurtzorg

Besonders beeindruckt hat mich Buurtzorg, die grösste Spitex-Organisation der Niederlande. Buurtzorg ist seit 2006 von einem Team von 10 Mitarbeitenden auf 7'000 Mitarbeitende gewachsen. Das Unternehmen bezweckt, die maximal mögliche Selbständigkeit seiner Klientinnen und Klienten zu gewährleisten. Durch kreative Lösungen, standardisierte Prozesse und ständigen Erfahrungsaustausch werden alle denkbaren Ressourcen erschlossen. Trotzdem ist der Zeitaufwand durchschnittlich 40% tiefer als der Benchmark. Zudem sind die stationären Behandlungen ein Drittel weniger häufig und dauern weniger lang. Dies obwohl die eingesetzten Tools und Prozesse völlig transparent sind und der Overhead von Buurtzorg nur 0,4% des Personalbestands umfasst. Verantwortlich für diesen Erfolg sind u.a. ein starker Unternehmenszweck, die Selbstorganisation in Teams von 10 – 12 Personen, die radikale Vereinfachung der Führungsprozesse im Unternehmen (z.B. Verzicht auf Betriebsbudget, nur Planung von Investitionen und Cash flow), keine Chefs und Spezialisten – dafür Teamcoaches sowie der „Advice Process": Ähnlich der Mitwirkung im Rahmen der Sozialpartnerschaft müssen Betroffene und Expert/innen vor wichtigen Entscheidungen wie z.B. Investitionen konsultiert werden.

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