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Autor: Rolf Kurath Arbeitswelt Führung Organisationsentwicklung Montag, 13 April 2015

Die Zukunft der Arbeit II

In Ergänzung zum März-Blog über „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft" von Jeremy Rifkin dies: Lynda Gratton, Professorin für praktisches Management an der London Business School, bestätigt seine Prognosen in „Job Future – Future Jobs" weitgehend. Sie beschreibt mit Blick auf 2025 eine Arbeitszukunft, die von neuen und komplexen Herausforderungen für Arbeitnehmende und Arbeitgebende geprägt sein wird. Zugespitzt sind dies die Aussicht auf eine Arbeitsbiografie von 60 Jahren sowie die Notwendigkeit, ein bis zwei Fachgebiete meisterhaft zu beherrschen. Für die Unternehmen bedeutet dies, neben flexiblen Arbeitsformen auch solche mit starken Lernkomponenten sowie selbstverantwortliche Teamarbeit anzubieten.

Lynda Gratton gehört gemäss Fachmedien zu den weltweit bedeutendsten Vordenkerinnen in Sachen Unternehmensentwicklung und Personalmanagement. Ihre zusammen mit 200 beteiligten Führungskräften des Forschungsverbunds „Future of Work" entwickelten Alltagsszenarien der Zukunft zeigen auf, dass wir aktuell einen bedeutsamen Umbruch durchleben.

Einführung

Gratton gliedert ihre Daten- und Prognosen-Sammlung zur Arbeitszukunft in 5 Bereiche: Technologie, Globalisierung, Demografie und Langlebigkeit, Gesellschaft sowie Energieressourcen. Als Grundlage für die Szenarienbildung werden für jeden Bereich Teilaspekte herangezogen. Die Globalisierung zum Beispiel werde sich insbesondere daran zeigen:

  • Erreichbarkeit rund um die Uhr in der globalen Welt;
  • die globalen Ambitionen von aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien (Erweiterung ihrer Wertschöpfungsketten, Reservoir an gut ausgebildeten Ingenieuren und Wissenschaftlern);
  • Verstädterung;
  • Entwicklung einer Unterklasse auch in den westlichen Industriestaaten. Diese zeichne sich dadurch aus, dass sie sich in den globalen Markt der beruflichen Fähigkeiten nicht einbringen kann oder dass Qualifikationen fehlen, sich ins wachsende Heer der Dienstleister für eine immer älter werdende städtische Bevölkerung einzubringen.

Future of Work Consortium

Der Forschungsverbund „Future of Work" konstruierte aus diesen Zukunftsfaktoren unterschiedliche Szenarien zu fiktiven Beschäftigten im Jahr 2025. Die mögliche Schattenseite der Zukunft gibt eine Vorstellung eines in 3 Minuten-Sequenzen zersplitterten, einsamen Arbeitstags von 06'00 bis 22'00. Zeitdruck und Überlastung werden unser Konzentrationsvermögen, unsere Beobachtungsgabe, unsere Kreativität und unsere Lernfähigkeit verringern. Dies verunmöglicht es, jene meisterhaften Fähigkeiten zu entwickeln, die es braucht, um in einer Welt mit immer mehr und immer billigeren Hochqualifizierten Arbeit zu finden. Denn um Meister zu werden, braucht es bekanntlich 10'000 Stunden Übung.

Das positive Szenario für 2025 sieht die digitale Vernetzung von 5 Milliarden Menschen und damit die Möglichkeit, als Mikrounternehmer/innen ein kreatives Leben zu gestalten. Wer sehr gut qualifiziert ist, über ein gutes Netzwerk verfügt und sich selbst führen kann, wird ein zukunftsfestes Berufsleben haben. Zusätzliche Beschäftigung soll es gemäss Gratton in den Kompetenzbereichen Biowissenschaften und Gesundheitsversorgung, erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Kreativität (so auch Märchenerzähler und Praxisphilosophinnen ...) sowie Coaching und Betreuung geben.

Die erforderliche Spezialisierung erinnert an die Handwerker des Mittelalters. Wie Richard Sennett treffend beschrieben hat, erwarben diese ihr meisterhaftes Können dadurch, dass sie andere beobachteten und durch ständig neue Praxis ein tiefes Wissen in sich verankerten. Daraus leitet Frau Gratton u.a. ab, dass bis zu 50% der mit Arbeit verbrachten Zeit faktisch auf
Übung und Weiterentwicklung von Fertigkeiten im Austausch mit andern verwendet werden müssen. Dazu kommt der Aufwand, sich ständig zu vermarkten und seine Laufbahn sorgfältig zu planen. Hier die Planungs-Anleitung:

Laufbahnplanung

Lynda Gratton gibt auch ein paar Hinweise für eine zukunftsfähige Personalpolitik. Diese sei auf flexibles Arbeiten, individuelle Weiterbildung und Dezentralisierung der Arbeitsorganisation auszurichten. Arbeit von hoher Qualität sei zudem ein Prozess, bei dem aktiver als heute entschieden werden kann, in welchem Verhältnis Berufs- und Privatleben zueinander stehen. Gefragt sein werde ein 60jähriges Arbeitsleben, das Lernen, Arbeiten und Auszeiten als Kernbausteine umfasst.

Personalpolitische Agenda

Angesichts der eher düsteren Perspektiven für 2025 (Zersplitterung und Entgrenzung der Arbeit, Konkurrenzkampf, Prekarisierung) sollten die offensichtlichen Potenziale für eine menschenwürdige Arbeitszukunft bald erschlossen werden. Zuoberst auf der Agenda steht die Begegnung auf Augenhöhe zwischen Chefs und Mitarbeitenden bei der Gestaltung von Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Entwicklungsplanung und Qualifizierungsmassnahmen. Ich kann mir vorstellen, dass solche Themen vermehrt in den Gesamtarbeitsverträgen geregelt werden sollten. Auch dass sich für die Berufsverbände und Gewerkschaften mit der Laufbahnberatung, der Zertifizierung von Kompetenzen sowie der Vernetzung und Vertretung von Mikrounternehmen neue Geschäftsfelder eröffnen.

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