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Autor: Rolf Kurath Beweglichkeit Grundlagen Philosophie Donnerstag, 30 Juli 2020

DEMOKRATIE IN DER SCHWEIZ – Geschichte und Gegenwart

Mit dem Bern-Zuger Grünen und Historiker Jo Lang verbinden mich gemischte Gefühle: Hier der lebenslange, fachlich vielseitige und stets glaubwürdige Polit-Aktivist, dort der Besserwisser mit dem gelben Stabilo-Boss Highlighter, der stets zur Stelle ist, wenn du als SPler den Pfad der reinen Lehre verlassen hast. In „Demokratie in der Schweiz“ hat er die Entwicklung der politischen Institutionen seit Ende des 18. Jahrhunderts aufgearbeitet.

Obwohl Jo Lang gelegentlich Lücken in Kauf nimmt (so blendet er die fatalen Folgen des Neins der Grünen Partei 1992 zum EWR für die Reputation der Schweiz und die innenpolitische Energiebilanz seither völlig aus) lohnt sich die Lektüre. Die Abhandlung ist gut gegliedert, die Argumentation ist mehrheitlich schlüssig (auch dank Verweisen auf den grossen Verfassungsrechtler Alfred Kölz), der Text liest sich auch draussen unter dem Sonnenschirm leicht.

1970 bis 2020

Speziell gefallen hat mir die Dokumentation der letzten 50 Jahre bis zur Gegenwart. Diese Periode seit der Schwarzenbach-Initiative habe ich miterlebt und manchmal Beiträge für politische Prozesse auf nationaler Ebene geleistet (wie Unterschriftensammlungen ab der ersten Anti-AKW-Initiative, Antrag meiner Ortsgruppe auf Austritt der SPS aus dem Bundesrat 1983, nach dem Scheitern der Kandidatur von Lilian Uchtenhagen, Mitgestaltung von Initiativprojekten in meiner aktiven Gewerkschaftszeit). Besonders viel Freude macht die Erinnerung an die Volksinitiative für eine Schweiz ohne Armee, welche zwar im November 1989 von 64 Prozent abgelehnt wurde, aber vor und nach der Abstimmung viel Schub für alle politischen Debatten gebracht hat. In jenem Oktober musste ich einen militärischen Ergänzungskurs in Küblis absolvieren. Wie jedes Mal seit der RS habe ich eine Diskussion über die militärische Landesverteidigung organisiert, dieses Mal zur Volksinitiative, mit Konsultativabstimmung. Der als Gegner auftretende Kompaniekommandant musste zur Kenntnis nehmen, dass seine Truppe die Armee mehrheitlich abgeschafft hätte.

Notrecht-Regimes

Besonders wertvoll ist im ersten Pandemie-Jahr die Recherche zu den Jahren 1914 und 1952 mit total 23 Jahren Vollmachten- resp. Dringlichkeitsregimes. Für den Staatsrechtler Zaccaria Giacometti erschien der Bundesstaat im Juli 1942 als „autoritär, mit totalitären Tendenzen“. Jo Lang schafft einen kompakten Überblick über das Umfeld, die Hauptakteure und ihre Interessen - im Hinblick auf die aktuelle und absehbare künftige Krisen nützliche Lernerfahrungen zum Beispiel für die Gestaltung von neuen Instrumenten der parlamentarischen Führung und Kontrolle.

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